Anekdoten

„A Hausmasta is a Respektsperson” konnte Wolfgang Ambros noch in den siebziger Jahren
singen. Mittlerweile scheint die Situation jedoch eindeutig: Die ehemals mit weitreichenden
Befugnissen ausgestatteten Hausmeister und Hausmeisterinnen (bis heute wird dieser Beruf
vor allem von Frauen ausgeübt) werden sukzessive zum Aufsichts- und Reinigungspersonal
degradiert oder überhaupt durch Reinigungsfirmen ersetzt.

Betrachtet man die mittlerweile rund 200-jährige Geschichte dieses Wiener Originals' wird
deutlich, dass dem Hausmeister in der Vergangenheit eine wichtige Rolfei im sozialen
Gefüge der Stadt zukam. Dabei war seine zwischen Hausherrn und Mietern stehende Funktion
allerdings stets ambivalent: War er für die einen nur der verlängerte Arm des Hausherrn, der
seine Nase in alle Angelegenheiten der Mieter steckte und dessen Anordnungen man
unwidersprochen Folge zu leisten hatte, stellte er für andere die “goldene Seele' des Hauses
dar, an die man sich bei Problemen stets wenden konnte. Im Folgenden ein kleiner Streifzug
durch die wechselvolle Geschichte dieses vom Aussterben bedrohten Berufsstandes.

Der Hausmeister.
Als in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts im Zuge der fortschreitenden
Industrialisierung immer mehr Menschen nach Wien bzw. in die Vorstädte und Vororte
zogen, stieg die Nachfrage nach billigem Wohnraum enorm an. Sie konnte nur durch die
Errichtung von Gebäuden mit mehreren Mietwohnungen einigermaßen rasch befriedigt
werden. Diese Zinskasernen' waren es, die den Hausmeister hervorbrachten – ein
städtisches Phänomen, das sich überall dort herausbildete, wo ähnliche Wohnverhältnisse
entstanden, vor allem in den Städten Österreichs, Deutschlands und Frankreichs.

Bewohnte früher fast jede Familie ein eigenes Haus und besorgten Familienmitglieder die
notwendigen Arbeiten zur Erhaltung und Reinigung dieses Hauses, wurde nun ein eigenes
Personal für den Dienst am Haus aufgenommen. Als der Hausherr schließlich immer
häufiger nicht mehr selbst im eigenen Haus wohnte, galt es, jemand für die Betreuung des
Hauses zu finden, der zudem als ständiger Stellvertreter des Hausherrn fungierte: Der
Hausmeistei war geboren. Von einem Dienstboten der Mietparteien war er zu einem
Angestellten des Hausherrn geworden.

Im frühindustriell-biedermeierlichen Wien entwickelte sich der Hausmeister rasch zu
einem – wie es die “Arbeiterzeitung” formulierte – “notwendigen Organ unseres Wirtschafts-
lebens, welches eine Kreuzung zwischen Kapitalismus und patriarchalischen Lebens-
gewohnheiten darstellt.” In dem Ausmaß wie Wien eine Stadt des Zur-Miete-Wohnens
wurde, stieg die Zahl der Hausmeister kontinuierlich an. Hausmeister wurden schon
bald zum fixen Bestandteil des Lebens in der Stadt, deren Wohnverhältnisse sie
entscheidend mitprägten. Besucher wurden eigens auf die spezielle Funktion und
Bedeutung des Hausmeisterwesens in Wien aufmerksam gemacht. Ein “Wohlunterrichteter
Fremdenführer' aus den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erläuterte. Sowohl in der
Stadt als auch in den Vorstädten hat jedes nur irgend bedeutende Haus zur Besorgung der
auf Reinlichkeit und Erhaltung 'derselben bezüglichen Verrichtungen einen 'Hausmeister'.
In der Stadt werden ohne Ausnahme die Haustore um zehn Uhr abends, in den Vorstädten…

Quelle: HAUSMEISTER IN WIEN Aufstieg und Niedergang einer
Respektsperson. Peter Payer 1996. [Link]